
Wie reagiert ein Weltklasse-Bratschist auf eine Graphic Novel, die in den 1960er-Jahren entstanden ist? Indem er Musik heraussucht, die dazu passt. Scheinbar so einfach ist das Konzept dieser Produktion. Mathis Rochat, gefeierter Violaspieler, hat Hugo Pratts „Ballad of the Salty Sea“, die erste Folge einer Reihe um den Seemann Corto Maltese, zum Anlass für ein wunderbares Album mit englischer Musik der Spätromantik genommen.
Er verwöhnt uns gemeinsam mit der Geigerin Abigél Králik und dem BBC National Orchestra of Wales unter Stabführung von Howard Griffiths mit selten zu hörenden Kompositionen. William Walton (1902-1983) ist noch der bekannteste unter ihnen. Sein Konzert für Viola und Orchester entstand 1929 und ist auf Anhieb erfolgreich. Vielleich auch deshalb, weil Walton sich in der Zeit der Entstehung als musikalisches „Enfant terrible“ in Szene setzte. In dem Werk selbst überwiegen Elemente der Spätromantik.
Arthur Benjamin (1893-1960), ein britisch-australischer Pianist und Komponist, widmete sich seit den 1930er-Jahren der Filmmusik. Das hört man auch der 1927 entstandenen Romantic Fantasy for Violin, Viola and Orchestra sehr deutlich an. Brillant nutzt der Komponist dabei die Möglichkeit des spätromantischen Orchesterklangkörpers.
Der eher unbekannte und vor allem für seine geistliche Chormusik berühmte Herbert Howells (1892-1983) ist für mich der in dieser Produktion hervorstechendste Komponist. Mit der Elegy for Viola, String Quartet and String Orchestra, die 1936 veröffentlicht wurde, entstand ein Werk voller Innerlichkeit und verhaltener Melancholie.
Ich selbst habe die Graphic Novel von Pratt nicht gelesen. Aber die Lektüre ist auch gar nicht erforderlich, denn die Musik verselbständigt sich schon beim ersten Hören: sie steht auf jeden Fall für sich, ist autonom. Das liegt mit Sicherheit auch an dem wunderbaren Orchester sowie an den famosen Solisten, die jede Nuance dieser Komposition gekonnt umsetzen.
Im durchgehend auf Englisch gehaltenen Booklet erläutert Mathis Rochat seine Zusammenarbeit mit dem Orchester unter Howard Griffith und seiner Kollegin, der Geigerin Abigél Králik. Diese Bemerkungen zur eigenen Arbeitsweise in der Form des Werkstattgespräches runden eine höchst gelungene Einspielung sehr schön ab, ebenso wie die außergewöhnlich sensibel erfolgte Gestaltung des Tonträgers plus Beiheft.
Diese CD, bei Evil Penguin unter der Bestellnummer 608917725926 erschienen, ist bereits seit dem 10. Oktober 2025 im einschlägigen Handel erhältlich, zum Beispiel bei der Firma JPC.
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