Klaus Döge: Dvořák. Leben – Werke – Dokumente

1991 ist dieser Band in der Serie Musik bei Piper erschienen und es gibt bis heute nichts Vergleichbares über den Komponisten und sein Werk. Dabei gliedert Döge durchaus eigenwillig, stellt dem eigentlichen Lebenslauf eine Zeittabelle voran, die 1840 beginnt und 1904 – mit dem Tode des Komponisten – endet. Im Lauf der Lektüre erkennt der Leser aber schnell, dass dieses synchronoptische Präludium in Tabellenform für das Folgende durchaus gut brauchbar ist.

 

Sorgfältig erzählt Döge von den Voraussetzungen, die Dvořák mitbringt und die sein Leben entscheidend formten. Als Sohn eines Gastwirtes und Schlachters geboren, wächst Antonín Dvořák inmitten eines von der KuK-Monarchie lange Jahre bedrückten Böhmen in kleinen Verhältnissen auf. Ursprünglich sollte er Schlachter werden, aber sehr schnell zeigt sich sein musikalisches Talent.

 

Da eine materielle Unterstützung von zu Hause kaum möglich ist, muss Dvořák den mühsamen, harten Weg gehen. Muss sich seine Schulzeit(en) verdienen, Noten von Freunden leihen, und er spielt für einige Jahre in einer Tanzkapelle. Erst im November 1862 kann er im Orchester des Interimstheaters in Prag als Bratscher anfangen. Und erst ab 1874 kann er, unterstützt durch ein Künstlerstipendium, seine eigentlichen Talente als Komponist unter Beweis stellen.

 

Wie wichtig in diesem Zusammenhang die Förderung durch Johannes Brahms ist, erzählt Döge ausführlich. Erst Brahms macht den Verleger Fritz Simrock auf den Komponisten aufmerksam und ermöglicht Dvořák damit, auch in Deutschland wahrgenommen zu werden. Das ist der Beginn einer langen Freundschaft zwischen diesen beiden Musikgenies des 19. Jahrhunderts.

 

Überhaupt das Menschliche. Ich bin froh, dass wir in diesem Buch einiges vom Wesen Dvořáks erfahren: von seinem unermüdlichen Fleiß in der Arbeit an der und für die Musik, seinem großen handwerklichen Geschick, seiner durchweg glücklichen Ehe zwischen ihm und seiner Frau Anna, von seiner Freude an Familie allgemein und am Landleben speziell. Dvořák verbrachte seine Sommerferien mit seiner Familie am liebsten in Vysoká, einem kleinen Ort in der Nähe von Prag. Diesen Sommersitz hatte Dvořák aus einem ehemaligen Schaftstall selbst umgebaut!

 

Natürlich dokumentiert Döge akribisch und mit vielen Notenbeispielen den musikalischen Werdegang Dvořáks, vom Beginn mit den großen Vorbildern Mozart, Haydn und Mendelssohn bis zur völlig eigenständigen Musik der späten Opern – z. B. der „Teufelskäthe“ – bzw. der späten Sinfonien. Aber die Musikbeispiele und das Vokabular sind so gehalten, dass sie auch der interessierte Laie gut nachvollziehen kann.

 

Was die eigene Person betrifft, war Dvořák zeit seines Lebens eher wortkarg. Auch eigene Aussagen über seine Musik finden sich spärlich. Umso wichtiger sind die Interviews, die im Anschluss an die Biografie im Wortlaut wiedergegeben werden.

 

Das Verhältnis zwischen dem Musik-Verleger Simbrock und dem Komponisten spiegelt sich in einem eigenen Kapitel. Und es gibt einige sehr interessierte Essays über den Schaffensprozess und die Geschichte der Dvořák-Rezeption. Eine Werkchronologie, Literaturhinweise, ein sorgfältig gearbeitetes Orts-, Personen- und Stichwortregister sowie ein Verzeichnis seines Werkes runden eine Biografie ab, bei der es nur einen Nachteil gibt: dass sie seit Jahren nicht mehr lieferbar ist, also nur antiquarisch und teils zu abenteuerlichen Preisen angeboten wird.

 

Klaus Döge: Dvořák. Leben – Werk – Dokumente, Serie Piper, ISBN 3795782775

 

 

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