
Volker Reinhardt – Die Geschichte der Welt
Eine Geschichte der Welt im Taschenbuchformat? Als ich dieses Büchlein vor Kurzem in die Hände bekam, war ich doch skeptisch. Verspricht nicht der Untertitel „Völker, Staaten und Kulturen von den Anfängen bis heute“ viel zu viel? Als emeritierter Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg weiß der Verfasser allerdings genau, was von ihm erwartet wird. Auf knapp 144 Seiten breitet er ein profundes Wissen ausgesprochen gut lesbar aus.
Welche Methode er wählt, welche er für falsch hält und welche Ansätze er im Rahmen seiner Darstellung zur Diskussion stellt, erfahren wir in dem brillanten Vorwort. Und natürlich hat er recht: „Geschichte als Wissenschaft ist dazu verurteilt, zurückzublicken und zu erklären, wie und warum die Gegenwart das geworden ist, was sie ist.“ (Zitat Reinhardt, S. 8)
So geht Reinhardt in insgesamt sechs Kapiteln der Frage nach dem Verlauf der Weltgeschichte in komprimiertester Form nach. Es lohnt sich, auf die Überschriften zu schauen, um zu verstehen, wie der Autor vorgeht. Er beginnt mit „Von der Steinzeit zu den frühen Hochkulturen. Bis 500 v. Chr.“ und beweist mit seiner kritischen Einordnung der „Donauzivilisation“ ein durchaus in die Tiefe gehende Beschäftigung mit dieser Epoche. Vorgestellt werden zuletzt sechs Großreiche, die ab dem 3. Jahrtausend vor Christus exemplarisch für die Zeit sind.
Kapitel zwei berichtet unter der Überschrift „Neue Götter, Reiche und Ideen“ von der Zeit zwischen 500 vor und 700 nach Christus. Nicht nur Griechenland und Rom und deren Entwicklung in der Zeit der Völkerwanderung werden beschrieben, sondern auch die Veränderungen in China, Mittelamerika und Afrika. Es schließt sich das dritte Kapitel an, das „Kreuzungspunkte und Konflikte“ benannt ist, also die Zeit von 700 bis 1400 umfasst. Der Scheitelpunkt der Entwicklung liegt um 1100; da geht es natürlich auch um die Kreuzzüge und deren Auswirkungen.
Kapitel 4 heißt „Europäische Expansion und Globalisierung“ des Zeitraums 1450–1914. Nicht nur die spanische Kolonisation und deren Voraussetzungen werden geschildert, sondern das beherrschende Thema ist der Kolonialismus weltweit. Die stürmische Entwicklung der Naturwissenschaften wird behandelt, die große französische Revolution, die Idee und das Werden der Nationalstaaten stehen ebenfalls im Mittelpunkt. Ausführlich geht es um Imperialismus und Sozialismus.
Kapitel 5, das bis zur unmittelbaren Gegenwart reicht, ist mit „Das tödliche Jahrhundert. 1914-2025“ überschrieben. Die Themen Weltkriege und totalitäre Staaten haben hier ihren Ort. Reinhardt schildert uns beides: die „Vernetzung der Welt“ und deren starke Polarisierung. Und natürlich weist er auf die globale Gefährdung unseres Planten durch den Klimawandel hin.
Als glänzender Darsteller all dieser Phänomene erinnert er zuletzt an die Frage, wie es aussieht mit dem „Postulat umfassender Gleichheit und Würde des Menschen ungeachtet aller Unterschiede der Herkunft und des Geschlechts“ (S. 144). Dies – so der Autor – bleibt so offen wie die Geschichte selbst.
Volker Reinhardt hat mit dieser kleinen Schrift ein Meisterwerk vorgelegt. Er ergänzt es mit zehn hervorragend gestalteten Karten, die in vielen Bereichen mein doch häufig noch eurozentriertes Wissen erheblich erweitern und zu neuen Einsichten führen.
Volker Reinhardt: Die Geschichte der Welt. Völker, Staaten und Kulturen von den Anfängen bis heute. C.H. Beck, München 2025. ISBN 978 3406 82954 3, Preis: € 12.
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