Meine kleine Nachtmusik Februar 2024 – Jehan Alain, Litanies
Was kann die Musica nicht alles: aufheitern, erlösen, beruhigen, beflügeln, aufhellen, ordnen, tanzen, schwingen, ermuntern, trösten, unterhalten, erziehen, öffnen. Kleinere Musikstücke in sehr subjektiver Auswahl sollen einmal pro Monat Appetit machen auf etwas Wunderbares aus der großen Welt der Töne. Vielleicht ebnet das Anhören sogar den Weg zum Komponisten und dessen Œuvre?
Ist es möglich, dass ein Komponist schon in jungen Jahren eine ganze Epoche resümiert, viele Einflüsse in sein Werk integriert und doch zu einem unverwechselbaren neuen Ton findet? Mir scheint der Franzose Jehan Alain ein Beispiel dafür zu sein. In ihm vollendet sich die französische Spätromantik und die Moderne deutet sich in all ihren Facetten an.
Schwer, all die Quellen zu nennen, derer der 1911 geborene Sohn eines Organisten, Komponisten und Orgelbauers aus Saint-Germain-en-Laye sich bediente. Ganz sicher sind es die älteren Traditionen der französischen Musik, aber auch die Werke von Eric Satie, Claude Debussy und Marcel Dupré, bei dem er auch Unterricht hatte. Darüber hinaus gibt es Einflüsse aus der Musik des Fernen Ostens. Anklänge aus dem Jazz sind ebenfalls nicht zu überhören.
In der Orgelmusik fällt ein Stück besonders auf: Litanies, ursprünglich mit Supplications – Flehen – benannt. „Das nur etwa vierminütige Stück beruht auf einem Thema von Achtel- und Viertelnoten, das in immer neuen Variationen wiederholt wird. Im Verlauf des Stückes kommt es zu einer dramatischen Steigerung bis hin zu rauschhafter Ekstase“, so der Eintrag in der Wikipedia.
1937 entstand dieses Stück und Alain äußert sich ganz eindeutig in einem Brief dazu: „Ein Gebet ist keine Klage, sondern ein Tornado, der alles, was sich ihm in den Weg stellt, hinwegfegt …Wenn man am Ende nicht völlig erschöpft ist, hat man das Stück weder richtig verstanden, noch so gespielt, wie ich es mir vorstelle.“
Im Zweiten Weltkrieg, zwei Tage bevor der Waffenstillstand in Compiègne geschlossen wurde, stirbt Jehan Alain mit 29 Jahren am 20. Juni 1940 in einem Gefecht bei Saumur beim Einmarsch der deutschen Truppen in Frankreich. Ich habe eine Aufnahme der „Litanies“ mit seiner Schwester Marie-Claire Alain herausgesucht. Sie bemühte sich bis zu ihrem Tod im Jahre 2013, das Gedächtnis an den Bruder wachzuhalten. In dieser Aufnahme leuchtet alles auf, was diese wunderbare Musik uns mitteilen möchte.
Die Aufnahme ist auf YouTube verfügbar unter Marie-Claire Alain plays Litanies bei Jehan Alain.
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