Bekannt geworden ist Alex Capus eher durch seine Romane, aber eigentlich begann er als Journalist und Sachbuchautor. Das 2007 erschienene Buch mit dem Titel „Patriarchen. Zehn Portraits“ legt davon ein beredtes Zeugnis ab.
Das Bauprinzip ist einfach, aber wirkungsvoll: Zehn Lebensläufe von Rudolf Lindt bis Emil Bührle werden in bester feuilletonistischer Tradition geschildert und durch einen tabellarischen Lebenslauf ergänzt. Capus kann erzählen und vergisst bei aller Ernsthaftigkeit der Recherche des jeweiligen Umfelds dieser Patriarchen niemals den Humor.
Die in dieser Weise verfassten Biografien sind auch gute Einblicke in die Geschichte der Schweiz, vor allem in die des 19. Jahrhunderts. In ein Jahrhundert, das dem oft manisch von einer Idee
besessenen männlichen Individuum die Möglichkeit einräumte, in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen Geschichte zu schreiben:
Rudolf Lindt in der Welt der Schokoladenherstellung, die er – eher durch einen Zufall – revolutionierte. Franz Bally, der die größte Schuhfabrik seiner Zeit gründete. Henri Nestlé, der das
Milchpulver als Säuglingsnahrung erfand. Johann Jakob Leu, der die Vorform der modernen Schweizer Bank ins Leben rief. Fritz Hoffman-La Roche, der mit einem Hustensaft ohne Wirkung, aber
außergewöhnlich wohlschmeckend den größten Pharmakonzern der Welt begründete. Und natürlich auch Emil Bührle, der nach dem Friedensschluss von Versailles Waffen an alle und jeden lieferte, der
zahlungsfähig war. Auch an Adolf Hitler.
Ich habe nicht alle genannt, von denen Capus berichtet. Der Rest ist jedenfalls nicht minder interessant. Mein Fazit: Auf etwa 190 Seiten werden wir glänzend unterhalten und grundlegend informiert, aber niemals belehrt. Kann man Schöneres über ein Sachbuch sagen?
„Patriarchen“ ist unter der EAN 978-3423145978 im DTV erschienen und kostet 10,90 Euro.
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