Aroa Moreno Durán – Die Tochter des Kommunisten

Dies ist das Buch von Katia und Johannes , von ihrer Liebe und deren Ende. Das Buch zweier deutscher Staaten, die über vierzig Jahre durch eine Mauer getrennt wurden, 1961 erbaut, erst seit 1989 wieder durchlässig. Dieses Buch handelt von Berlin-Ost und auch -West; es handelt von Backnang, einer Kleinstadt in der Nähe von Stuttgart. Es handelt von Zugehörigkeit, Identität, Geborgenheit und Verlust. Es handelt vom Gefühl des Fremdseins in der Welt, der Heimatlosigkeit und der Sehnsucht nach einem vertraut sicheren Ort und dem Versuch eines Neuanfangs.

 

Katia lebt in den 1950er-Jahren in Ostberlin. Aus ihrer Perspektive erzählt sich das Buch. Sie ist die Tochter einer spanischen Familie, die als überzeugte Kommunisten nach Ostberlin geflohen ist. Sie, ihre Eltern und ihre Schwester Martina führen das zurückgezogene Leben einer Emigrantenfamilie in einem einfachen Mietshaus. Schon früh fühlt sich Katia fremd in der Schule, der Familie, später auch an der Universität. Ein Gefühl, das sie nicht verorten kann.

 

Einen ausführlichen Austausch mit den Eltern über die Vergangenheit gibt es nicht. Sind sie zufrieden hier im Exil? Ein Koffer im Elternschlafzimmer, den die Kinder finden, vermittelt nur Details des früheren Lebens. Außerdem haben alle genug damit zu tun, in der schwierigen Versorgungslage der damaligen Zeit durchzukommen.

 

Durch einen Zufall lernt Katia als Studentin Johannes kennen, einen Besucher aus dem Westen, der sie auch bei den jährlich stattfindenden Weltjugendfestspielen trifft. Johannes und sie verlieben sich und er bittet sie, in den Westen zu fliehen. Sie gibt diesem Wunsch nach: Über Österreich gelingt mithilfe eines professionellen Fluchthilfeunternehmens die packend beschriebene Flucht nach Backnang in der Nähe von Stuttgart.

 

Aber Katia wird dort nicht heimisch; zu anders orientiert ist die Familie der Schwiegereltern. Die Eheleute entfremden sich zunehmend. Die einzige Stütze für Katia sind andere, ebenfalls nach Backnang geflohene „Ossis“. Mit ihnen kann sie endlich über die Flucht aus Berlin und über die alten Zeiten im Osten reden.

 

Zum Ende des Buches überschlagen sich die Ereignisse: Die Mauer fällt, in Berlin wird sie zuerst durchlässig. Die DDR geht in Deutschland auf. Die Verunsicherung der Bevölkerung dort wird im Westen kaum wahrgenommen. Katia möchte jenseits von Backnang in Berlin einen Neuanfang wagen, auch wieder arbeiten. Und ihre Kinder dort aufwachsen lassen, wo sie begann. Und noch einmal erlebt Katia in diesem Buch eine Überraschung und der Leser mit ihr.

 

Dieser Roman-Erstling einer spanischen Autorin hat mich tief berührt. Offenbar beruht er auf einer wahren Geschichte. Sein Verlauf trägt Züge einer Tragödie: Die Menschen in diesem Buch scheinen dem Mahlstrom der deutschen und spanischen Geschichte fast hilflos ausliefert. Wie führt man in diesen Zeiten von Mauern und Diktatur im Osten und westlicher Wohlstandsgesellschaft ein „normales“ Leben? Katia scheint in dem Labyrinth aus Fremde, Heimat, Zugehörigkeit, Liebe, Pflicht und Familie überfordert. Aber Hand aufs Herz: Wäre es uns anders gegangen in diesen Zeiten, die Reiner Kunze zu Beginn des Buches per Widmung so großartig evoziert?

 

Aroa Moreno Durán – Die Tochter des Kommunisten ist im Verlag btb erschienen, einem Teil der Penguin Random House Verlagsgruppe und trägt die EAN 978-3-442-275904-0. Es kostet gebunden 22 Euro.

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