Ralf Günther - Als Bach nach Dresden kam

Die Fakten sind nicht unbekannt: während der Regierungszeit Augusts des Starken, also zu Beginn des 17. Jahrhunderts, verliert der Tasten-Superstar  Louis Marchand seine Stellung am Hof Ludwig d. XIV. in Paris. August der Starke sieht die Chance seines Lebens diesen nun verfügbaren Topmusiker an seinen Hof in Dresden zu locken. Dabei soll ihm sein eigener Kapellmeister und Hofmusiker Jean-Baptiste Volumier behilflich sein. Der wiederum sieht seine eigene Stellung in Gefahr: widerwillig befolgt er also den Befehl des Königs,  Marchand im Brüsseler Exil ein Angebot zu machen, um am Hof in Dresden vorzuspielen.

 

Es kommt Volumier dort eine wunderbare Idee, nämlich Marchand gegen einen jüngeren anderen Tastenvirtuosen, nämlich Johann Sebastian Bach antreten zu lassen, also ein Tastenduell zu inszenieren, dem der gesamte Dresdener Hof begierig beiwohnen kann. Kam es also zu diesem Duell und wie ging es aus? Das möchte ich an dieser Stelle nicht verraten.

 

Ralf Günther ist ein gewandter Erzähler, der aus diesem Grundmaterial eine schöne Novelle macht. Er stellt z.B. Marchand eine Geliebte zur Seite, eine Sopranistin aus den Niederlanden, die es so bestimmt nicht gegeben hat. Ganz sicher waren Marchand und Volumier Konkurrenten: aber ob sie und wie sie sich verständigt haben, ist nicht überliefert. Günther lässt sie ihren Konflikt trotzdem per Sprache austragen. Nein, auch eine Liebesbeziehung zwischen der Schwägerin von Bach und Volumier hat es bestimmt auch nicht gegeben, selbst  wenn das noch so beeindruckend zu lesen ist. Tatsache war, dass Jean-Baptist Volumier Zeit seines Lebens unverheiratet blieb, aus welchen Gründen auch immer. Wichtiger scheint mir zu sein, dass der große Komponist und Flötist Hans Joachim Quantz Volumiers  Kompositionen, die alle während des siebenjährigen Krieges verloren gingen, für ausgesprochen gut hielt und sein Orchester für das beste seiner Zeit.

 

So bleibt die Novelle bis zum Schluss spannend und Günther verwandelt den Stoff in eine Fiktion, die erfreut und unterhält. Für alle, die es trotzdem noch ganz genau wissen wollen, gibt es ab Seite 149 eine Erläuterung durch Jan Katzschke. Hier erfahren wir, was Günther verändert, hinzuerfunden und weggelassen hat. Das mindert den Wert dieses schmalen Büchleins auf keinen Fall, gelingt es dem Autor doch geschickt, von den Bedingungen zu berichten, die in der Zeit des Spätbarock gültig waren, ganz egal, ob es um die Lebensläufe der Musiker ging oder die Bedingungen, unter denen ihre Musik entstand.  

 

 

 

Das Buch ist unter der ISBN 978 3 463 40706 7 bei Kindler erschienen und kostet Euro 16.

 

 

 

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